Exil in Uruguay: Ernesto Kroch und die spanische Erstübersetzung des DDR-Romans „Nackt unter Wölfen“


Bruno Apitz: Desnudo entre lobos: novela; traducción directa del alemán: Ernesto Kroch ; revisión literaria: Jesualdo, [Montevideo] Uruguay : Editora Tecniciencia, 1966.

 „Weltliteratur wird von Übersetzern gemacht“: Diese Aussage des portugiesischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers José Saramango trifft auch auf den 1958 erstmalig veröffentlichten DDR-Roman „Nackt unter Wölfen“ von Bruno Apitz zu. Dessen Erstlingswerk über die Rettung eines dreijährigen Jungen im Konzentrationslager Buchenwald wurde auch deshalb weltweit bekannt, da es rasch in zahlreiche Sprachen – heute sind es über 30 – übersetzt wurde. Über eine Schenkung von Monica Fuchs hat die Bibliothek des Ibero-Amerikanischen Instituts nun ein Exemplar der ersten spanischen Übersetzung erhalten, welche erstmalig 1966 in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo unter dem Titel „Desnudo entre lobos“ erschien.

Damit steht nun ein zweites Exemplar dieser Erstübersetzung ins Spanische in Deutschland zur Verfügung. Ein weiteres gab es bislang nur in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. Interessant ist dieser Band auch deshalb, da er eine Widmung enthält und so an Montevideo als bedeutendes Zentrum politisch verfolgter, jüdischer Exilant*innen und deren Geschichten erinnert. So mag es kein Zufall sein, dass die erste Übersetzung dieses Romans, der in der DDR bald als Klassiker des antifaschistischen Widerstands galt, dort entstand, wo viele jüdisch-kommunistische Exilant*innen Ende der 1930er Jahre eine neue Heimat fanden. Nach Uruguay, das sich in diesen Jahren aufgrund des liberalen politischen Klimas neben Argentinien und Mexiko zu einem bedeutenden Zentrum des deutschsprachigen kommunistischen Exils entwickelte, emigrierte auch Ernesto Kroch, der spätere Übersetzer dieses zentralen Werks der DDR-Literatur. Der 1917 in Breslau (Polen) als Kind liberal-jüdischer Eltern geborene Kroch engagierte sich früh bei den deutsch-jüdischen „Kameraden“ und beteiligte sich nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten als Mitglied der Kommunistischen Jugend Opposition (KJO) an antifaschistischen Widerstandsaktionen. 1934 wurde Kroch im Alter von 17 Jahren von der Gestapo verhaftet und nach der Verbüßung seiner 1,5-jährigen Haftstrafte in das Konzentrationslager Lichtenburg überstellt. 1937 flüchtete er über Ungarn und Jugoslawien nach Uruguay. Seine Eltern indes konnten Deutschland nicht mehr verlassen – sie wurden in Auschwitz von den Nationalsozialisten ermordet.

Bruno Apitz: Desnudo entre lobos: novela; traducción directa del alemán: Ernesto Kroch ; revisión literaria: Jesualdo, [Montevideo] Uruguay : Editora Tecniciencia, 1966.

Wie andere kommunistische Exilant*innen in Uruguay versuchte auch Kroch nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die sowjetische Besatzungszone umzusiedeln, um am Aufbau eines sozialistischen deutschen Staates teilzuhaben, das sowjetische Konsulat in Montevideo lehnte Krochs Einbürgerungsantrag jedoch ab. Er blieb in Montevideo und war weiterhin politisch aktiv: Er trat in die dortige Kommunistische Partei ein, engagierte sich als Metallbauer in Gewerkschaften und rief im Stadtviertel Barrio Sur Bürgerinitiativen ins Leben. Zur DDR pflegte er weiterhin den Austausch: 1964 gründete er gemeinsam mit anderen Exilierten das „Kulturinstitut Uruguay-DDR Casa Berthold Brecht“, schrieb als Lateinamerikakorrespondent für die Weltbühne und verfolgte die literarische Produktion der DDR nicht nur, sondern hatte selbst an deren Verbreitung Anteil, indem er den Roman „Nackt unter Wölfen“ ins Spanische übertrug.

Ein Exemplar dieser Übersetzung, eben jenes, was nun im IAI zur Verfügung steht, widmete Kroch seinem Freund Hermann Sadunischker, der ähnlich wie Kroch in den 1930er Jahren nach Uruguay emigriert war und gemeinsam mit anderen jüdisch-kommunistischen Exilant*innen 1941 das „Deutsche Antifaschistische Komitee zur Unterstützung der Sowjetunion“, kurz DAK, in Uruguay gegründet hatte. Auch Sadunischker hatte nach dem Zweiten Weltkrieg einen Einbürgerungsantrag gestellt, auch sein Antrag wurde abgelehnt. Im Gegensatz zu Kroch reiste Saduniscker dennoch in die damals noch junge Deutsche Demokratische Republik aus und konnte bleiben.

Kroch dagegen kehrte erst in den 1980er Jahren nach Deutschland zurück – allerdings nicht freiwillig. Bereits nach dem Militärputsch 1973 hatte Kroch seine politische Arbeit in der Illegalität fortführen müssen, das „Kulturinstitut Uruguay-DDR“, ein Zentrum linker Kultur in dem Land, wurde von den uruguayischen Militärs geschlossen, Krochs Sohn Peter wurde mehrfach verhaftet. 1982 entschloss sich Kroch dann zur Flucht, fand Exil in der BRD, konnte allerdings bereits 1984 mit der Abhaltung von Wahlen in dem südamerikanischen Land wieder nach Uruguay zurückkehren, wo er seine früheren politischen Tätigkeiten wieder aufnahm und die“Casa Brecht“ erneut eröffnete. Seine Geschichte des zweifachen Exils verarbeitete Kroch in den 1980er und 1990er Jahren in mehreren eigenen Büchern.

Das Widmungsexemplar dieses deutsch-uruguayischen Autors und politischen Aktivisten finden Sie ebenso wie weitere Literatur von und über Ernesto Kroch im Onlinekatalog der Bibliothek des IAI. Über Hermann Sadunischker und seine Sammlung deutscher Exilliteratur in Lateinamerika, die er seiner Stieftochter Monica Fuchs überließ, werden wir in diesem Blog bald mehr berichten.

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