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Das ambitionierte Projekt Textdatenbank und Wörterbuch des Klassischen Maya ist hervorgegangen aus einer Initiative der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Düsseldorf und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in Berlin, mit Unterstützung des an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) Göttingen angesiedelten Netzwerks für eResearch TextGrid und der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Bonn. Es verfolgt das Ziel, sämtliche mayasprachliche Hieroglyphentexte zu sammeln und, auf Grundlage dessen, ein vollständiges (analoges und digitales) Wörterbuch des sog. „klassischen“ Maya zu erarbeiten.
Dabei ist die Architektur des Wörterbuchs offen gestaltet, bietet also die Möglichkeit der ständigen Erweiterung. Weitere mögliche Features sind Kombinationen aus Schrift- und Sprachmaterial – inklusive noch nicht entschlüsselter Zeichen – Zusatzinformation wie Zeit- und Ortsangaben, epigraphische und linguistische Analysen, sowie Kommentare und Angaben zu relevanter Sekundärliteratur. Außerdem soll ein Inschriftenarchiv entstehen, das, zum Zwecke der Langzeitverfügbarkeit, in die Digitalen Sammlungen der ULB Bonn eingebettet sein wird. Die Inschriften sollen in einer TextGrid-Datenbank gesammelt und mit Metadaten versehen werden, ihre Transkriptionen werden dann in dem XML-basierten (Quasi-)Standardformat TEI allen Forschenden zugänglich gemacht.
Beispiel für die geplante Inschriftendatenbank mit Zeichnung, epigraphischer Analyse und Übersetzung der Uxul-Stele 1 (Konzept: C. Prager / Zeichnung: N. Grube).
Die Wörterbucheinträge (Lemmata) werden nach dem Vorbild des Chicago Akkadian Dictionary organisiert und alphabetisch sortiert. Sie werden Informationen zur Wortart, dem Verwendungszeitraum und der zum Zeitpunkt der Publikation des Wörterbuches bekannten Zahl von Okkurrenzen enthalten, sowie auch Übersetzungen ins Deutsche, Englische und Spanische. Im graphematischen Abschnitt sollen alle Erscheinungsformen des Wortes mit ihren entsprechenden Transliterationen und numerischen Klassifikationen geliefert werden, außerdem eine Dokumentation der Okkurrenzen und die ursprüngliche Erscheinung („original spelling“), gefolgt von einer etymologischen Analyse. Alle Okkurrenzen des Morphems erscheinen in ihrem unmittelbaren Verwendungskontext und die entsprechenden Sätze werden in transliterierter und übersetzter Form wiedergegeben. Jeder Eintrag wird mit bibliographischen Referenzen und Bezügen zu anderen Lemmata abschließen.
Beispiel für einen Eintrag in der Datenbank archäologischer Stätten (hier: Calakmul).
Selbst wenn die Fertigstellung des Wörterbuches derzeit noch Zukunftsmusik ist, so lohnt sich der Blick auf das Webportal dennoch jetzt schon. Auf der Startseite werden direkt alle inhaltlichen Updates in einer Kachelansicht präsentiert. Unter den verschiedenen Reitern lässt sich dann genaueres zum Projekt erfahren, sowie die unterschiedlichen Datenquellen näher betrachten. Beispielsweise sind alle archäologischen Stätten indexiert, mit genauen Koordinaten, der Zahl der dort gefundenen Inschriften und sämtlichen Referenzen in der Fachliteratur.
„Abstraction through the Merger of Iconic Elements in Forming New Allographs: The Logogram 539 <WAY>“, Gronemeyer 2019, (DOI)
Eine sehr umfassende Bibliographie zum Thema (über 31.000 Einträge) kann direkt als Zotero-Bibliothek geöffnet und ggf. importiert werden. Die auf Basis der Daten veröffentlichten Studien können außerdem alle unter „Publications“ konsultiert und heruntergeladen werden (s.o.). Es handelt sich dabei durchgehend um Open–Access-Veröffentlichungen, die alle mit persistent identifiers ausgestattet sind, um auch die langfristige Auffindbarkeit zu garantieren.
Der jetzt schon online verfügbaren Bilddatenbank, haben wir in der Vergangeneit bereits einen Beitrag hier im Blog gewidmet. Alle abgelegten Materialien sind übrigens mit der Lizenz CC BY 4.0 versehen, können also – unter Namensnennung – weitgehend nachgenutzt werden.
Rückseite des Altar de los Reyes, Stele 2 (Urheber: Ivan Šprajc) aus dem Bildarchiv.
Der Mehrwert eines solchen Wörterbuches für die Altamerikanistik dürfte auf der Hand liegen, zumal eine erschöpfende Dokumentation des Wortschatzes dieser (Schrift)Sprache derzeit noch ein Desiderat darstellt. Die angewandten Methoden und eingesetzten Werkzeuge dürften generell auch für die Epigraphik und die Altertumswissenschaften von Interesse sein.
Bei aller gerechtfertigten Begeisterung für die Vergangenheit der Maya, darf aber nicht vergessen werden, dass die Nachkommen dieser Zivilisation immer noch existieren, ihnen bzw. ihrer Kultur jedoch häufig nicht dasselbe Maß an Wertschätzung entgegengebracht wird. So verdanken z.B. viele Maya-Sprachen ihr Überleben eher dem Engagement einzelner Akteure:innen aus den Communitys, als sprachpolitischen Bemühungen der für sie zuständigen Behörden. So hat auch das sog. „klassische“ Maya den Kollaps jener Hochkultur überdauert, die ihre Wörter so kunstvoll in steinerne Hierogplyphen zu meißeln gewusst hat. Dem Lexikon und der Morphologie des sog. „klassischen Maya“ nach zu urteilen, handelt es sich nämlich dabei wohl um einen unmittelbaren Vorläufer des Ch’orti‘, das noch heute vor allem in Guatemala gesprochen wird.
Zu diesem Thema in unserem Bestand…
Bricker, Victoria R.: A historical grammar of the Maya language of Yucatan: 1557-2000. Salt Lake City : University of Utah Press. 2019.
Cruz Coutiño, Antonio: Mitología y continuidad maya : [la creación del hombre y de su entorno]. Tuxta Gutiérrez : Universidad Autónoma de Chiapas ; San Baltazar Campeche Puebla : El Errante Editor. 2018.
Hoppan, Jean-Michel: Parlons maya classique : déchiffrement de l’écriture glyphique. Mexique, Guatemala, Belize, Honduras. Paris : L’Harmattan. 2014.
Jiménez Badillo, Diego (Hrsg.): Arqueología computacional : nuevos enfoques para la documetación, análisis y difusión del patrimonio cultural. México : Secretaría de Cultura, Instituto Nacional de Antropología e Historia. 2017.
Johnson, Scott A. J.: Translating Maya Hieroglyphs. Norman : University of Oklahoma Press. 2013.
Stone, Andrea Joyce: Reading Maya art : a hieroglyphic guide to ancient Maya painting and sculpture. London : Thames & Hudson. 2011.
Elektronische Ressourcen
Gooren, Henri (Hrsg.): Encyclopedia of Latin American Religions. Cham : Springer. 2019.
Hofman, Corinne L. / Keehnen, Floris W. M. (Hrsg.): Material encounters and indigenous transformations in the early colonial Americas : archaeological case studies. Leiden / Boston : Brill. 2019.
Houk, Brett A. et al.: Approaches to Monumental Landscapes of the Ancient Maya. Gainesville : University Press of Florida. 2020.
Hull, Kerry: A Dictionary of Ch’orti‘ Mayan-Spanish-English. Salt Lake City : University of Utah Press. 2016.
Martin, Simon: Ancient Maya politics : a political anthropology of the classic period 150-900 CE. Cambridge : Cambridge University Press. 2020.