Digitale Ressourcen – Panama Kanal






Seit Beginn der Pandemie haben wir in verschiedenen Blogbeiträgen auf digital verfügbareRessourcen zu bzw. aus bestimmten lateinamerikanischen Ländern aufmerksam gemacht. Nach dem letzten Blogartikel zum lusophonen Afrika wenden wir uns heute einem Gebiet zu, das aufgrund seiner bewegten Geschichte die Region am Isthmus nachhaltig prägte und bis heute eine große Faszination auf Historiker:innen, Technikfans, Reisende und Sprachaffine – der gleiche Vokal gleich fünf Mal in abwechselnder Abfolge mit verschiedenen Konsonanten – ausübt: der Panamakanal und die ehemalige „Kanalzone“.

Der rund 82 Kilometer lange Panamakanal verbindet den Pazifik und Atlantik und zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Die Bedeutung derartiger künstlicher Abkürzungen für den Welthandel hat kürzlich der im Sueskanal gestrandete Tanker „Evergreen“ eindrücklich noch einmal vor Augen geführt. Dabei gewinnt der 1914 eröffnete Panama-Kanal das Duell der Superlative: Während der Sueskanal die 6.000 km lange Alternativroute um das Kap der Guten Hoffnung – und damit rund sechs bis 10 Tage Fahrtzeit – erspart, so sind es beim Panama-Kanal sogar 15.000 km Seeweg um das Kap Hoorn oder die Magellanstraße, was 3 Wochen Fahrzeit entspricht. Dank des Kanals dauert es nur um die 13 Stunden, bis die Schiffe die Landenge bei Panamá durchquert haben. Rund 38 Schiffe passieren täglich, circa 14.000 Schiffe jährlich diese künstliche Wasserstraße, nur der Sueskanal und der Nord-Ostseekanal sind stärker frequentiert, wie die anschauliche Infographik der Tageschau verdeutlicht. Heute, nach der aus finanzieller wie ökologischer Hinsicht stark umstrittenen Erweiterung des Kanals von 2007-2016, können nun auch Containerschiffe, die größer als das alte Panamax-Maß sind, den Kanal durchqueren. Von Colón im Norden bis Panama-Stadt passieren Container- wie Reiseschiffe mittlerweile fünf Schleusenanlagen – wer bislang noch nicht das Vergnügen hatte, kann sich an diesem durchaus meditativen Zeitraffer-Video erfreuen.  Technikfans finden weitere „Facts und Figures“ unter anderem hier.

Steffen, Hans. Maps of the Panama Canal. Edinburgh: N.p., 1910. Print

Die Idee, die beiden Ozeane mit Hilfe einer künstlichen Wasserstraße am Isthmus zu verknüpfen, reicht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Güter wurden lange über den Landweg von einem Ozean zum nächsten transportiert, bis sich der Bau eines solchen Kanals Ende des 19. Jahrhundert konkretisieren sollte. Doch das kostspielige Projekt von Ferdinand de Lesseps, Erbauer des Sueskanals, und Gustave Eiffel, dem Ingenieur des Pariser Eiffelturms, scheiterte und löste in Frankreich einen der größten Finanzskandale des 19. Jahrhunderts aus. Planungsmängel, falsche geologische Untersuchungen, schlechte Organisation, Korruption, technische Schwierigkeiten und insbesondere mangelnde Erfahrungen bei der Eindämmung von Infektionskrankheiten wie Malaria und Gelbfieber führten dazu, dass das 1869 gestartete Projekt der französischen Compagnie Universelle du Canal Interocéanique 1889 eingestellt wurde.Die weitere Geschichte des Kanals – und dem Nationsbildungsprozess Panamas war nun mehr eng mit den USA verknüpft: Die USA, eine zu dieser Zeit aufstrebende See- und Kontinentalmacht, hatte ebenfalls aus geopolitisch-militärischen Gründen Interesse am Bau eines mittelamerikanischen Kanals gezeigt und entsendete, nachdem Kolumbien die Übergabe des Kanalprojektes verweigerte, Kriegsschiffe zur Unterstützung der unabhängigen Republik Panama in den Isthmus. Nach dem Rückzug der kolumbianischen Truppen unterzeichnete Philippe Bunau-Varilla für die neu ausgerufene Republik 1903 den so genannten Hay-Bunau-Varilla-Vertrag, der den USA einen 10 Meilen breiten Landstreifen für den Kanal, eine einmalige Zahlung von 10 Millionen Dollar an Panama und jährliche Zahlungen von 250.000 Dollar zusicherten. Auch sicherten die USA zu, die Unabhängigkeit Panamas zu garantieren. Galt der Panamakanal, der 1914 fertiggestellt wurde, zum Zeitpunkt seiner Eröffnung als wichtige außenpolitische Errungenschaft der USA, so sorgte dieser in den folgenden Jahrzehnten immer wieder für außenpolitische Spannungen zwischen diesen beiden Ländern. Denn nach der Fertigstellung des Kanals, blieb die künstliche Wasserstraße unter US-amerikanischer Kontrolle. Zwar gab es in den folgenden Jahrzehnten immer wieder Revisionen der zwischen beiden Ländern abgeschlossenen Verträge, aber erst 1977 wurde mit den Torrijos-Carter-Verträge eine Übergabe des Kanals im Jahr 2000 an die Regierung Panamas vereinbart, die am 31. Dezember 1999 auch erfolgte. [1]

Gutierrez de Alba, José M., and Ferdinand Lesseps. El Canal Interoceánico. Bogotá: Impr. de Zalamea, 1879. Print. https://digital.iai.spk-berlin.de/viewer/image/729131718/1/

Der Panamakanal symbolisierte somit lange die technologische und wirtschaftliche Macht der USA in der zentralamerikanischen Region. Dieses historische Narrativ von technischem wie geopolitischen Erfolg muss unbedingt mit Geschichte(n) kontrastriert werden, die von Leid, Marginalität, Zerstörung von Territorien und Vertreibung von Bevölkerungsgruppen, aber auch von Migrationsbewegungen erzählen. Der Bau des Kanals, der die USA zur Supermacht machte, kostete so schätzungsweise 28.000 Arbeitern und Arbeiterinnen das Leben, viele davon starben dabei an Infektionskrankheiten. Auch ging der Bau des Kanals mit einschneidenden Folgen für das Ökosystem Panamas einher, indigene Gemeinden wurden unter Gewalt umgesiedelt und Territorien zerstört. Die kolumbianische Historikerin Marixa Lasso beschreibt so die Verdrängung von Bauern, Hausbesitzern und Kleinunternehmer:innen durch den Kanal und berichtet von der Zerstörung einer historisch gewachsenen Handelskultur und Umwelt.[2] Weniger bekannt sind zudem die Erfahrungen und Lebensgeschichten von über 50.000 Arbeitern, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts von u.a. Barbados, Jamaika und St. Lucia mit ihren Familien nach Panama kamen, um beim Bau des Kanals, und nach dessen Fertigstellung, in der ehemaligen Kanalzone Anstellung zu suchen. Diese freiwillige Migration Schwarzer Menschen von den westindischen Inseln nach Zentralamerika – eine der größten Migrationsbewegungen im karibischen Raum – dokumentieren heute Auswandererregister, Amtsblattberichten, Gouverneursberichte und Polizeiberichten. Diese Originaldokumente der so genannten „Silver Men“ – afro-antillische Arbeitende, die mit Silbermünzen bezahlt wurden -, sind inzwischen von der UNESCO als Weltdokumentenerbe eingestuft worden. Sie stehen, soweit bekannt, allerdings noch nicht als komplette Sammlung digitalisiert zur Verfügung.

Atlanta, 1.1911=Nr. [6],

Ein ambitioniertes Projekt, das die Geschichte, Kultur und Diaspora afro-antillischer/-westindischer Menschen und ihrer Nachkommen in den Gebieten um den Panamakanal und der Panama Railroad von 1800 bis heute aufzuspürt und bewahrt, ist das Dokumentations- und Oral History-Projekt der NGO Corozal, Gatun, Mt Hope Cemetery Preservation Foundation (CGM), die, wie auf der Webseite angeben wird, von „proud descendants  of  the  Antillean  diggers  and workers of the Panama Canal and supporters“ ins Leben gerufen wurde. Mit Unterstützung des Kulturministerium Panamas widmet sich diese Organisation der Pflege, Restaurierung und Erhaltung der Friedhöfe in den ehemaligen Territorien der Kanalzone, wo Personen aus Panama und den westindischen Inseln begraben liegen. Auf dieser Webseite gibt es die Möglichkeit, auf eine genealogische Suche durch die Akten United States, Panama Canal Zone, Employment Records and Sailing lists, 1905-1937 und die Sterberegister des Gorgas Hospital Mortuary Records, 1906-1991 zuzugreifen. Pan Caribbean Sankofa, die Forschungs-, Bildungs- und Beratungsgruppe der CGM, hat zudem gemeinsam mit der University of Florida ein Oral-History-Projekt initiiert, bei dem die Stimmen und Geschichten der „Silver Men“ dokumentiert, aufbewahrt und zugänglich gemacht werden. Mitglieder von Pan Caribbean Sankofa führen die Interviews, die University of Florida ist indes für die Aufbewahrung und Zugänglichmachung dieser wertvollen wie eindrucksvollen Lebensgeschichten verantwortlich. Die Interviews werden über die Panama Canal Museum Collection (University of Florida, George A. Smathers Libraries) frei und digital zugänglich gemacht. Hier können Interessierte bereits erste Interviews lesen, u.a. mit US-amerikanischen Bürger:innen, die im Rahmen ihrer militärischen Verpflichtungen zur Panama Zone abbestellt waren.

Zahlreiche digitale Dokumente sind vor allem bei US-amerikanischen Institutionen zu finden, was angesichts der jahrelangen geopolitischen wie wirtschaftlichen Bedeutung des Kanals für die USA kaum verwundert. Den besten Startpunkt für eine Recherche zur so genannten „Amerikanischen Periode“ des Panama-Kanals bietet dabei die Panama Canal Museum Collection (PCMC) der George A. Smathers Libraries der University Florida, deren Webseite neben weiterführenden Links und Informationen auch Zugriff auf Regierungsdokumente, Kartenmaterial, Monographien, Periodika und Jahrbücher bietet. Ausgewählte Ressourcen des PCMC, beispielsweise Jahrbücher und Zeitschriften, stehen mittlerweile auch digital, als Teil der digitalen Sammlung „Panama und der Kanal„, sowie in der integrierten Digital Library of the Caribbean zur Verfügung. Eine Besonderheit der digitalen Sammlung Panama und der Kanal„: Hier finden sich auch die oben erwähnten persönlichen Erzählungen und die Panama and the Canal Oral History Interviews, die das Projekt Pan Caribbean Sankofa mit Nachkommen westindischer Familien und anderen Personen, die in der damaligen „Kanalzone“ lebten, geführt hat. Auch eindrucksvolle Stereographen – zwei nahezu identische Fotografien, die aus leicht unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen und nebeneinander auf Karten gedruckt werden – stehen hier digital zur Verfügung.

Street in Old Gorgona, Panama Canal Zone; Donor: Angrick, Bill; Publication Date: 1910s http://ufdc.ufl.edu/AA00015131/00001 (Fair Use)

Auch die Library of Congress bietet einen reichhaltigen Fundus an verschiedenen digitalen Ressourcen von digitalisierten Zeitungsartikeln über digitalisierten Landkarten bis Audioaufnahmen und Forschungliteratur. Zur Suche nutzen Sie am besten direkt das Suchsystem der LoC, bei dem Sie über die Suchkriterien auf der linken Seite die Ergebnisliste weiter nach den Originalformaten und auch nach dem verfügbaren Ausgabeformat, bspw. PDF, eingrenzen können. Speziell zu den Materialien der LoC zum Panama Kanal sei auch der beim LoC-Blog erschienene Beitrag zu empfehlen: Panama Canal: Locating Collections at the Library of Congress

Library of Congress

Auch die New York Public Library hält so einiges digitales Bildmaterial, darunter historische Postkarten, bereit, und jüngst haben die US-amerikanischen National Archives über 2.000 Photographien mit Bezug zur Panama Kanal Zone digital zugänglich gemacht. Die zugehörige Sammlung kann zudem nach thematischen Suchbegriffen durchsucht werden:

Photograph of Dredge Mandinga, 7/19/1960

Photograph of Gatun Locks, 1948

Photograph of French Construction Relics, 1/17/1957

Photograph of July 4th Celebration, 7/4/1955

Index

George Arents Collection, The New York Public Library. Lock, Panama Canal, Central America. Retrieved from https://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e2-2994-a3d9-e040-e00a18064a99

Digitale Ressourcen finden sich selbstverständlich nicht nur in den USA. Auch das Netzwerk der Universitätsbibliothek in Panama stellt digitale Ressourcen über ihre Suchumgebung zur Verfügung. Ebenso können Sie sich selbstverständlich auch in den Sammlungen des Ibero-Amerikanischen Instituts umsehen. Eine Übersicht über in der Bibliothek des IAI digital wie gedruckte Literatur finden Sie in unserem Online-Katalog. Hilfreich ist auch unser Suchsystem IberoSearch, das Ihnen schnell die über die Bibliotek verfügbar gemachten Online-Ressourcen aufzeigt. Dort finden Sie neben thematisch relevanten Objekten aus unseren Digitalen Sammlungen, auch die Einzeldokumente größerer Datenbanken, bspw. der Sammlungen zu den Unterlagen des US-amerikanischen Außenministeriums Panama: records of the U.S. Department of State, 1950-1963, die Online-Bestände der Digital Library of the Caribbean oder dem Panama Canal Museum. Diese Sammlungen können Sie selbstverständlich auch direkt über die Links ansteuern.

Sie haben noch Fragen zur Literaturrecherche oder brauchen noch ein paar Tipps zu unseren Recherchetipps? Oder brauchen Sie eine persönliche Beratung zu den besten Anlaufstellen für die Recherche in Ihrem Forschungsland? Dann nutzen Sie doch unseren Beratungsservice „FID presente – Unsere Sprechstunde für Sie„.

Bibliographien und Research Guides (Auswahl)

https://www.gbv.de/dms/spk/iai/cov/1002907489.jpg

Weitere Beiträge und Links

Bibliografia panameña 2016 / Biblioteca Nacional Ernesto J. Castillero R (Primera edición). (2017).


[1] Sabonge, R., & Sánchez, R. (2014). Los 100 años del canal de Panamá antecedentes, desarrollo y potencial futuro. CEPAL. https://repositorio.cepal.org//handle/11362/37430

[2] Lasso, M. (2019). Erased : The Untold Story of the Panama Canal. Harvard University Press. [Bald bei uns als E-Book verfügbar].