Neu in unseren Sondersammlungen: Historisches Fotoalbum aus Morelia

Es ist widersprüchlich, dass Fotografien oft als echtes Abbild der Realität wahrgenommen werden und gleichzeitig ein so großes Potenzial haben, die Fantasie ihrer Rezipienten zu wecken. Mit Fantasie meine ich Neugier, mehr wissen zu wollen und sich Fragen zu stellen wie: Warum wurde dieses Foto aufgenommen? Wofür? Warum hat sich der:die Fotograf:in entschieden, genau dieses Objekt oder Person abzubilden und nicht etwas Anderes?… Die Ansammlung an visuellen Informationen, die jedes Stück enthält, hat die Fotografie zu einem beliebten Thema – und Material – für die Forschung gemacht.

Im April hat das IAI ein historisches Fotoalbum aus der mexikanischen Stadt Morelia aus dem Jahr 1892 erworben. Es handelt sich um 15 großformatige Fotografien auf Albuminpapier, die verschiedene bekannte Orte der Stadt Morelia darstellen. Der Autor dieser Bilder war Salvador Olmos, welcher circa 1887 Fotografie an der Escuela Industrial Militar Porfirio Díaz (auch Escuela de Artes y Oficios) in Morelia studierte. Nach seinem Studium arbeitete er als Dozent in derselben Einchrichtung. Er war außerdem zweimal Direktor der Werkstatt für Fotografie der Escuela Industrial und später eröffnete er mit einem Partner ein Fotostudio, wo er Bilder hoher Qualität angeboten hat.

Dieses Fotoalbum vertritt einen besonderen historischen Zeitpunkt in der Geschichte des Landes, die regionale Geschichte von Michoacán und auch die Geschichte der Fotografie in Mexiko. Wir befinden uns in der Mitte des Regimes von Porfirio Díaz (1876-1911) -auch Porfiriato genannt-. Diese Zeit charakterisiert sich, unter anderem, durch die Absicht Mexiko in eine „moderne Nation“ umzugestalten. In diesem Kontext hat die Fotografie eine wichtige Rolle gespielt, indem sie zum einen selbst ein Zeichen des technischen Fortschritts war und gleichzeitig den Modernisierungsprozesses dokumentieren konnten. Außerdem war in dieser Zeit die Gründung von Escuelas Industriales (staatliche Bildungszentren für die technische Professionalisierung) von großer Bedeutung, weil dort die ersten Fotografiekurse angeboten wurden, mit dem Ziel die Studenten als professionelle Fotografen auszubilden.

Der neu erworbene Bildband bietet einen Blick auf die Stadt Morelia Ende des 19. Jahrhunderts. Die dargestellten Gebäude werden aber nicht nur wegen ihrer Architektur abgebildet, sondern mehr, weil sie bestimmte Institutionen repräsentieren (vor allem Bildungsinstitutionen). Andererseits sprechen die Fotografien von typischen Merkmalen der Stadt (zum Bespiel, des Portal Hidalgo oder der Calzada de Guadalupe) für die lokale Identität von Morelia als Hauptstadt des Bundesstaat Michoacán. In den Bildern sind auch immer Menschen zu sehen: Hauptsächlich Gruppen von Männern und Kindern die vor den Gebäuden posieren und in die Kamera schauen.

In den Sondersammlungen des IAI sind auch andere interessante Materialien zu dieser Region zu finden. Im Nachlass von Eduard Seler und Caecilie Seler-Sachs, die zwischen 1887-1910 sechs Reisen nach Mexiko unternommen haben, gibt es drei Kapseln mit Forschungsunterlagen zu Michoacán. Es handelt sich hauptsächlich um Zeichnungen und ca. 140 Fotografien von archäologischen Objekten, aber auch Fotografien von archäologischen Stätten, Landschaften und von der Stadt Pátzcuaro.

Mehr Informationen zu unseren Sondersammlungen finden Sie hier. Außerdem können Sie in unseren Digitalen Sammlungen weitere Nachlässe und Sondermaterialien entdecken.

Ausschnitt der Zeitschrift „El Perú Ilustrado“, Nr. 95 (2. März 1889). Verfügbar in unseren Digitalen Sammlungen.

Literatur