Stan Lee, der Erfinder von Iron Man, Hulk und den Fantastic Four, ist tot. Am Montagabend verstarb der von einer riesigen Fangemeinde fast kultisch verehrte Comic-Autor im Alter von 95 Jahren in Los Angeles. Der 1922 als Sohn rumänischer Einwanderer in New York geborene Stanley Martin Lieber begann in den 1940er Jahren als Kopierassistent beim Verlag Timely Comics. Nur wenig später fertigte er selbst erste Comics an, die er mit dem Pseudonym Stan Lee, sein zerteilter Geburtsname, unterzeichnete. 1961 wurde Lee dann Chefredakteur bei Timely Comics, der nur wenig später zu Marvel Comics wurde, und machte aus diesem einen Mediengiganten. Damit lebte Lee nicht nur den US-amerikanischen Traum, – vom Kopierassistenten zum Millionär und Comic-Legende –, sondern erfand ihn mit seinen Comics auch neu: Mit Spider-Man oder Daredevil erschuf er Superhelden, die menschlich und überirdisch zugleich waren. Denn im Gegensatz zu den bis dato bekannten Figuren waren Lees Helden fehlbar und verletzlich: Sie kamen, wie Lee selbst, aus ärmlichen Verhältnissen, waren blind, agierten mitunter auch gegeneinander und kannten Emotionen wie Gier und Melancholie. Inspiriert von den US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen der 1960er Jahren, schuf er mit Black Panther 1966 auch den ersten afroamerikanischen Superhelden.
Wie der Comicautor 2014 in einem Interview mit dem US-amerikanischen Journalisten und Talkmaster Larry King erklärte, war Lee in den letzten Jahrzehnten besonders daran interessiert, das lange US-amerikanisch geprägte Superheldenuniversum diverser, integrativer und internationaler zu gestalten. Nach einem chinesischen folgte mit „Chakra: The Invincible“ ein indischer Superheld, den Lee gemeinsam mit Graphic India erschuf. Auch die Entwicklung eines lateinamerikanischen Superhelden stand noch auf seiner Agenda – angesichts des großen hispanischen Einfluss in den USA durchaus spät, wie auch Larry King während des Interviews bemerkte. Lees Fans müssen nun allerdings auf einen lateinamerikanischen Superhelden verzichten: Hatte dieser laut der Onlinezeitschrift Remezcla noch 2017 bei der Comic Convention im mexikanischen La Conque einen Superhéroe angekündigt, so brachte er dieses Projekt nie zu einem Abschluss. Nun, nach seinem Tod, fehlt es in Stan Lees Superheldenuniversum an einem prominenten lateinamerikanischen Vertreter oder Vertreterin. Fragen danach, wie häufig Latinxs allgemein in Mainstream-Comics auftreten und welche Repräsentationen von Latinidad sich in den US-amerikanisch produzierten Comics finden lassen, haben auch das Interesse des an der Ohio State University tätigen Literaturwissenschaftlers Frederick Luis Aldama geweckt. Dessen Arbeiten sowie einige der ins Spanische und Portugiesische übersetzten „Klassiker“ Stan Lees, beispielsweise „El hombre araña“, finden sich in den Bibliotheksbeständen des Ibero-Amerikanischen Instituts und sind im Online-Katalog verzeichnet und ausleihbar.
Bildquellen:
Stan „The Man“ Lee (2007): Fotograf: Edward Liu; Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0.