Nach 85 Jahren im IAI angekommen … ein unerwarteter Fund auf der Internationalisierungsreise nach Buenos Aires

Vom 22. April bis zum 3. Mai 2024 begleitete ich den Bibliotheksdirektor auf eine Internationalisierungsreise nach Buenos Aires. Anlass war die Buchmesse in Buenos Aires, die größte in Lateinamerika.

Quelle: DonosoPortillo, Feria del libro buenos aires 2024, CC BY 4.0

Auf den „Días profesionales“ vor der Öffnung der Messe für das allgemeine Publikum sichteten wir die auf der Messe angebotenen Veröffentlichungen. Ein Schwerpunkt waren dabei Publikationen aus den argentinischen Provinzen, die über andere Beschaffungswege häufig schwer zu erwerben sind. Die Messe bot außerdem die Möglichkeit zur Kontaktpflege und zum Austausch mit den Buchhändler:innen, mit denen das IAI seit langem vertrauensvoll zusammenarbeitet. Angereist waren nicht nur Buchhändler:innen aus Argentinien, sondern, aufgrund der Bedeutung der Messe, aus ganz Lateinamerika. Ein weiterer Schwerpunkt war die Kontaktpflege mit Verlagen und Institutionen. Bei einem Termin mit der Leitung der Nationalbibliothek wurde über mögliche Kooperationsprojekte gesprochen.

Mit dem Verlag Corregidor wurden die bereits in den letzten Jahren begonnenen Gespräche über kommerzielle E-Books des Verlags fortgesetzt, die das IAI seinen Nutzer:innen zugänglich machen möchte. Bisher sind diese E-Books nur für Endnutzer:innen verfügbar, ein Angebot für Bibliotheken besteht nicht, weshalb beide Seiten hier Neuland betreten. Bei den sehr konstruktiven Gesprächen konnten die beiderseitigen Erwartungen konkretisiert werden.

Ergänzend zu diesem Kernprogramm tätigten wir auf der Internationalisierungsreise auch ergänzende Erwerbungen für die Bibliothek des IAI.

Ein Kontakt auf der Buchmesse konnte die Erwerbung von mehreren Dutzend Ausgaben des Cancionero Îverá aus der argentinischen Provinz Corrientes vermitteln, eine Populärzeitschrift, die von einem Forschenden schon seit vielen Jahren nachgefragt wird.

Ivera, Jg. XXI, Nr. 226, Cover

Ivera, Jg. XXI, Nr. 232

Ivera, Jg. XXXIV, Nr. 283

Ein weiteres Highlight der Erwerbung war ein umfassendes Set der Zeitschrift Billiken, die als erste große Zeitschrift für Kinder in Lateinamerika auch eine große kulturgeschichtliche Bedeutung hat. Sie erschien in über 4000 Nummern zwischen 1919 und 2000. Das erworbene Set beinhaltet auch die Nummer 1 von 1919.

Cover von Billiken, Nr. 933 (1938)

Cover von Billiken, Nr. 1788 (1954)

Billiken enthält Beiträge und Formate für Kinder unterschiedlichen Alters: Comics, bebilderte Sachtexte, Bastelanleitungen, Fortsetzungsgeschichten etc.

Billiken, Nr. 960 (1938)

Billiken, Nr. 961 (1938)

Einen besonderen Fund machten wir im Wohnzimmer eines Onlinehändlers. In einem Umschlag befand sich die Ausgabe von November 1939 (Jg. 2., Nr. 13) der Zeitschrift Boletín de Cultura Intelectual aus der Stadt Rosario. Unsere Freude war groß, handelte es sich doch um eine Lückenergänzung, denn vorhanden waren am IAI bisher nur die Nummern 10 bis 12 und 14 bis 22. Noch viel größer war die Überraschung, als wir den Umschlag genauer unter die Lupe nahmen. Adressiert war der Umschlag an „Ibero-Americanisches Bibliographie, Hans Praesent, Breite Straße 37, Berlin“. Dies war die Adresse des IAI vor dem 2. Weltkrieg im Marstall des Berliner Stadtschlosses.

Der an Hans Praesent, Ibero-Americanisches Bibliographie adressierte Umschlag mit Nr. 3 der Zeitschrift Boletín de Cultura Intelectual

Hans Praesent (1888-1946) war ein Geograph und Bibliothekar an der Deutschen Bücherei in Leipzig und verantwortlich für die Ibero-Amerikanische Bibliographie, ein Verzeichnis der deutschsprachigen Literatur zur Iberischen Halbinsel und Iberoamerika. Die Bibliographie wurde zwischen 1930 und 1945 als Beilage zum Ibero-Amerikanischen Archiv herausgegeben. Die Herausgabe dieser Zeitschrift war 1930 vom neu gegründeten Ibero-Amerikanischen Institut übernommen worden.

Die Zeitschrift wurde offensichtlich bereits in den 1930er Jahren durch das IAI erworben. Vermutlich aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs wurde die betreffende Nummer 13 allerdings nie verschickt und gelangte über Umwege in die Hände des Onlinehändlers, wo wir sie 85 Jahre später entdeckten und endlich an ihren Bestimmungsort nach Berlin brachten.

Kurios ist auch die Benennung der Zeitschrift. Neben ihrem Haupttitel tragen die einzelnen Nummern als Zusatz den Namen des aktuellen Sternzeichens. Für die Nummer vom November 1939 war dies Sagitario (Schütze).

Boletin de Cultura Intelectual Jg. 2, Nr. 13 (November 1938), S. 1