Die Neuzugänge von Büchern sind sorgfältig verzeichnet: Mehrere Meter mit sogenannten Zugangsbüchern aus den ersten Jahrzehnten des Ibero-Amerikanischen Instituts ermöglichen Provenienzforschung und bibliothekswissenschaftliche Studien. Für die Forschung zu Leser:innen und Ausleihen, kurz zur Benutzung der Bibliothek, waren uns solche Quellen bisher nicht bekannt … bis sich beim Aufräumen in einem alten Regal ein Stapel von Kladden im Oktavformat (10,5 × 16,5 cm) fanden. In ihnen sind Nutzer:innen, Ausleihen vor Ort und Fernleihen von 1950 bis 1960 verzeichnet und schon ein erster Blick eröffnet spannende Details:
Die Anfänge waren bescheiden: zwischen drei und zehn Nutzer:innen fanden ihren Weg zum alten Sitz des Ibero-Amerikanischen Instituts in Lankwitz, weit im Südwesten von Berlin. Am 9. Mai 1951 kam niemand: „wegen Regenguss keine Benutzer“ wurde notiert. Insgesamt kamen 1951 1.960 Nutzer:innen in die Bibliothek; die am stärksten frequentierten Monate waren (wie in der Aktualität auch) Juli und November.
1952 nimmt die Benutzung zu. Es kommen täglich zehn bis fünfzehn Nutzer:innen in die Bibliothek, die meisten leihen weiterhin nur ein oder zwei Bücher aus, manche aber auch bis zu 16.
1956 kommen zwischen zehn und zwanzig Nutzer:innen pro Tag. Nutzernamen, die dem spanischsprachigen Raum zuzuordnen sind, tauchen weiterhin nur ganz vereinzelt auf und machen ca. 1% aus.
1960 wird die Verzeichnung detallierter: Jetzt ist angegeben, ob der:die Nutzer:in Student:in, Doktor:in oder Professor:in ist (stud., Dr., Prof.) und ob er:sie aus dem Ausland kommt (USA, Bol., Span.). Über die Anmerkung „Tochter“ hinter einem Namen wundern wir uns … und was haben wohl die Bundesdruckerei und die UFA-Filmstudios im Ibero-Amerikanischen Institut ausgeliehen? Außerdem wird säuberlich getrennt vermerkt, wieviel „wissenschaftliche Literatur“ und wieviel „schöne Literatur“ ausgeliehen wird.
Ab 1956 erhält der „Auswärtige Leihverkehr“, heute als Fernleihe bekannt, eine eigene Kladde pro Jahr und wird nicht mehr auf den letzten Seiten der Benutzerstatistik verzeichnet. Aber schon in den ersten Listen ab 1950 finden wir die Mischung an Leihanfragen, die uns auch heute erreichen: aus den deutschen Universitätsstädten (Freiburg, Hamburg, Göttingen, auch Rostock und Leipzig), aus kleinen Orten (Walberberg, zwischen Köln und Bonn gelegen) und aus dem Ausland (Rom, Kopenhagen, Wien). Aus Lateinamerika oder den USA sind keine Anfragen verzeichnet.
Außerdem fand sich ein „Beschwerdebuch“ aus den 1980er Jahren, in das Nutzer:innen ihre Kritik und ihre Verbesserungsvorschläge eintragen konnten. So ein Buch existiert bis heute, heißt allerdings inzwischen etwas freundlicher „Mitteilungen an die Bibliothek“. Ohnehin erreichen uns Ihre Vorschläge inzwischen meist per E-Mail. In der alten Version sehen wir, dass sich schon damals die Leser:innen vor allem über die Tücken der Technik ärgerten: die meisten Beschwerden beziehen sich auf die Fotokopierer.
Inzwischen sind diese durch Buchscanner abgelöst. Auch folgendes Problem dürfte sich heutzutage erledigt haben: „Da ich sehr häufig Auslandsgespräche führen muss (Mutter anrufen), würde ich mich sehr freuen, wenn in der leeren Telephonzelle vorne am Eingang eben ein Telephon stünde. Es sind immer zu wenig Telephone im Haus (siehe ständige Schlangen an allen Apparaten im Hause)“ lautet ein Eintrag im Juli 1986.
Die Benutzungsstatistiken und Unterlagen aus der Frühzeit des IAI warten auf ihre detaillierte Auswertung. Hier dürften von wichtigen Daten zur Wissenschaftspraxis bis zu Kuriositäten aus der Institutsgeschichte noch einige Funde zu machen sein.