And the Oscar goes to …: «Roma» und Yalitza Aparicio

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Casa de Tepeji 22, colonia Roma. Lugares de rodaje de «Roma» de Alfonso Cuarón en la Ciudad de México. Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0.

Seit seinem Debüt bei den Filmfestspielen in Venedig 2018 hat der Film „Roma“ des mexikanischen Regisseurs Alfonso Cuarón zahlreiche Auszeichnungen abgeräumt. Nun auch bei den diesjährigen Oscars. Gleich in drei Kategorien konnte sich das mit 10 Nominierungen ins Rennen gegangene Drama durchsetzen: beste Regie, beste Kamera und bester fremdsprachiger Film. Über den Oscargewinn von „Roma“ lässt sich Einiges sagen. Etwa, dass mit „Roma“ erstmalig ein mexikanischer Film den Oscar für den besten ausländischen Film gewinnt und Cuarón nach seinem ersten Erfolg mit „Gravity“ (2013) nun zum zweiten Mal Oscar-Trophäen nach Hause trägt. Oder dass sich der Streamingdienst Netflix mit der Produktion dieses schwarz-weißen Soziomelodrams als wichtiger Konkurrent der großen Hollywood-Studios etabliert hat, obgleich „Roma“ die höchste Auszeichnung als bester Film verwehrt blieb.

Dass „Roma“ aktuell trotzdem als geheimer Oscar-Sieger gehandelt wird, liegt vor allem an der außergewöhnlichen schauspielerischen Leistung von Yalitza Aparicio, die in „Roma“ die Hauptrolle der „Cleo“ spielt. Das indigene Dienstmädchen „Cleo“ und ihr Alltag in einer mexikanischen Arztfamilie stehen im Zentrum dieses Films, in dem Cuarón geschickt privates Familienleben mit der politisch turbulenten Geschichte Mexikos in den 1970er Jahren verwebt.

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Yalitza Aparicio, Fotografie: Milton Martínez / Secretaría de Cultura de la Ciudad de México Jueves 13 de diciembre de 2018, Wikimedia Commons, CC BY 2.0.

Die 1993 in Tlaxiaco, Oaxaca geborene Mixtekin Yalitza Aparicio, die zunächst gar nicht erst beim Casting in ihrer Heimatstadt erscheinen wollte und dann doch in „Roma“ debütierte, spielte die Rolle der „Cleo“ so gut, dass sie als erste indigene Schauspielerin in der Kategorie „Beste Schauspielerin“ nominiert wurde. Dass sie schlussendlich den Oscar nicht bekam, ist zwar schade, aber (fast) egal. Denn schlussendlich hat sie mit ihrer starken Darstellung der „Cleo“ gezeigt, was eigentlich längst klar sollte: Die Vorstellung, indigene Frauen könnten keine Hauptrollen spielen, da sie entweder „westlichen“ Schönheitsidealen nicht erfüllen oder nicht über ihre designierten Rollen als Mutter und Gemeindemitglied herauswachsen könnten, nicht mehr als ein Mythos ist. Wohl aber fehlt es an realen Möglichkeiten bei gleichen sozialen Bedingungen. In Mexiko hat „Roma“, der auch als Kritik am Mangel an Arbeitnehmerrechten in der informellen Wirtschaft gelesen wird, so auch die Debatte über Rassismus in der mexikanischen Gesellschaft und den Zusammenhang von sozialer Schicht und Ethnizität weiter angefacht.

Die Verbindung zwischen sozialer und ethnischer Unterdrückung und Sprache reißt der Film ebenfalls an. Mit der Köchin „Adele“ spricht „Cleo“ in ihrer Muttersprache Mixtekisch, allerdings nur solange sie unter sich bleiben – ein Hinweis auf die lange Diskriminierung indigener Sprachen und ihrer Sprecher*innen in dem Land. Damit bestätigt der Film das, was die UNESCO für das Internationale Jahr der Indigenen Sprachen, betont hat: Sprachen spielen eine bedeutende Rolle im alltäglichen Leben, sie helfen, einzigartige Denk- und Ausdrucksweisen zu bewahren und tragen zur gesellschaftlichen Repräsentation indigener Gruppen bei. Genau das versucht beispielsweise die mexikanisch-niederländische Filmemacherin Itandehui Jansen in ihrem mixtekisch-spanischen Film „Tiempo de lluvia“, der sich mit Migration beschäftigt und zum Ziel hat, die Geschichte mixtekischer Gemeinden und deren Beziehung zur Region am Leben zu erhalten. Wer an Mixtekisch interessiert ist, ist im IAI, das sich  am Internationalen Jahr für Indigene Sprachen beteiligt, an der richtigen Adresse: In der Bibliothek finden Sie Forschungsliteratur zur mixtekischen Sprache, Wörterbücher, aber auch Sprachaufnahmen und Filme. Tonträger und Filme sind über den Online-Katalog erschlossen und am besten über die erweiterte Suche zu finden, wo Sie bei «Materialart» auch die entsprechenden Optionen wählen können. Hier werden Sie auch fündig, wenn Sie ältere Filme von Cuarón, beispielsweise seinen mexikanischen Road-Movie „Y tu mamá también“ (2003), suchen. «Roma» mit der wunderbaren Yalitza Aparicio ist dagegen auf Netflix zu sehen – die zugehörige DVD ist noch nicht veröffentlicht.