Die Schließung des Círculo de Lectores erzeugte in diesem Monat großes mediales Echo in Spanien. Die Reaktionen reichten von Fassungslosigkeit bis zu einer Art abgeklärtem Fatalismus (konsultiert man ebenfalls die Kommentarspalten ebendieser Medien, so schlägt einer*m außerdem Überraschung entgegen, dass der „Lesezirkel“ überhaupt noch existiert hatte). In einer Mitteilung am 6.11.2019 wurde die Schließung der „kommerziellen Struktur, der Webseite und jeglicher Verkaufskanäle“ an die Öffentlichkeit kommuniziert, nachdem die Mitarbeitenden per Bürofax darüber informiert wurden (wohl aber nicht die Mitglieder, welche die Nachricht erst über die Presse erfuhren).
Der Círculo de Lectores bestand seit 1962 und war der größte Bücherklub Spaniens und zählte, in seinen besten Jahren, 1,5 Millionen Mitglieder. Sein erklärtes Ziel war es, „Literatur in alle Haushalte Spaniens zu bringen“. In seiner klassischen Ausrichtung handelte es sich dabei um einen Bücherbestellservice: Man konnte in einem Katalog Bücher auswählen, die dann zwei Wochen später nach Hause geliefert wurden. Das Geschäftsmodell ist dem vom Bertelsmann Club hierzulande auch deswegen nicht unähnlich, da er lange zu der deutschen Gruppe gehörte. Seit 2010 war der Círculo allerdings Teil des Grupo Planeta, einem multinationalen Verlagshaus, das zunächst durch Stellenabbau und später, ab 2014, durch Produktdiversifizierung (neben Büchern z.B. auch Naturkosmetik und Nahrungsergänzungsmittel) den sinkenden Umsätzen entgegenzuwirken versuchte. Die Expansion in den digitalen Markt scheint hingegen erfolgreich gewesen zu sein, zumindest sei die E-Book-Plattform Nubico nicht von der Schließung betroffen.
Als Grund für das (gefühlt) abrupte Ende nennt Grupo Planeta die „veränderten Konsumgewohnheiten“ von Bürgern*innen, die man unter dem Neologismus „Amazonifizierung“ etwas provokativ zusammenfassen könnte. Kritiker*innen schreiben die schlechten Zahlen allerdings gerade der vom Grupo Planeta initiierten und als Rettungsmaßnahme intendierten Neuerfindung des Círculo zu, weil er so die einst treue Stammklientel vergrault habe, der allmählich ein immer kleiner werdendes Bücherangebot zur Verfügung stand. Für Kritik sorgte außerdem die prekäre (An-)Stellung vom – größtenteils pensionierten – Lieferpersonal, das mit ähnlich schlechten Arbeitsbedingungen zu kämpfen hatte, wie sie seit geraumer Zeit zunehmend aus dem (Online-)Versandhandel bzw. dessen outgesourcte Zuliefererketten bekannt werden.
Dennoch geht – so urteilt zumindest die spanische Tageszeitung El País – mit dem Círculo de Lectores auch ein Stück spanischer Geschichte zu Ende. Nicht nur, dass er zu einem entscheidenden historischen Moment zur Demokratisierung und Bereitstellung von Wissen im Lande beigetragen hat, durch den sehr persönlichen Kontakt zwischen Mitgliedern und Lieferpersonal hat er den Austausch zwischen Menschen gefördert und Gemeinschaften gestärkt. Dies galt im Übrigen nicht nur für die (einsprachig) spanischsprachigen Regionen; der Círculo vertrieb auch Werke in Euskera oder in galicischer Sprache und verfügte mit dem Cercle de Lectors sogar über einen eigenen Ableger in Katalonien.
Auch im IAI ist die Verfügbarkeit mehrerer Werke aus Spanien (indirekt) dem Bücherklub zu verdanken. Hervorzuheben sind hier zwei Bücherschenkungen von Norbert Denkel, ehemaliges Mitglied des Círculo de Lectores, denen bereits im Oktober 2018 ein Blogbeitrag gewidmet wurde.