Luis Sepúlveda, Oktober 2013 (Quelle: Wikimedia Commons, CC BY-SA)
Noch Anfang März hatte Carmen Yáñez, Lebensgefährtin von Luis Sepúlveda, die Hoffnung geäußert der „Alptraum“, den sie beide gerade durchlebten, werde eines Tages nur noch eine Anekdote im Munde ihres Mannes sein. Nach Rückkehr von einem Literaturfestival in Portugal hatte dieser schon bald Symptome gezeigt, wurde positiv auf COVID-19 getestet und kam am 29.02.2020 ins Krankenhaus. Im Koma und künstlich beatmet, blieb sein Zustand über eineinhalb Monate stabil kritisch. Jetzt ist der Alptraum vorbei, aber nicht so wie Carmen Yáñez es sich erhofft hat: Am 16.04.2020 erlag der chilenische Schriftsteller und Journalist dem neuartigen Coronavirus.
Luis Sepúlveda wurde 1949 in Ovalle, Chile, geboren und war, wie er selbst sagt, schon damals „profundamente rojo“. Als Sohn eines Militanten der Kommunistischen Partei Chiles (PCCh) war er schon früh in der Jugendorganisation (Juventudes Comunistas de Chile oder Jotas) und später, als Student, selbst Parteimitglied. Während der Pinochet-Diktatur wurde er zweimal verhaftet, dazwischen verbrachte er ein Jahr im Untergrund, wo er u.a. eine Widerstands-Theatergruppe gründete. Später sollte er als Teil der internationalen Brigade die Revolution der Sandinistas in Nicaragua unterstützen.
Er kam viel herum, lebte lange im Ausland, z.B. im ecuadorianischen Amazonas beim indigenen Volk der Shuar, aber auch in Hamburg, wo er 1980 Asyl erhielt und wo es ihm gelang als Journalist Fuß zu fassen. Seinen literarischen Durchbruch hingegen erreichte er mit El viejo que leía novelas de amor (1989) zunächst vor allem in Frankreich, das bereits viele lateinamerikanische Link(sintellektuell)e aufgenommen hatte, die vor politischer Verfolgung in ihrer Heimat geflohen waren. Der Roman markierte gleichsam eine Verschiebung im Aktivismus des Autors, der sich fortan auch für Umwelt- und Artenschutz einsetzte, z.B. eine Zeit lang auf einem Schiff von Greenpeace versuchte Walfänger aufzuhalten. 1997 dann lässt er sich mit o.g. Carmen Yáñez — mit der er in Chile schon einmal verheiratet gewesen war — in Gijón (Asturien) nieder, wo er seine letzten Jahre verbringen sollte.
In Sepúlvedas Erzählungen finden sich Motive, die stark an Verne oder Conrad erinnern, weswegen Gustavo Guerrero, Verleger bei Gallimard, sie als „neoexotistisch“ beschreibt. Im IAI finden sich viele seiner Werke, größtenteils im spanischen Original, wie z.B. sein letztes Buch Historia de una ballena blanca (2019), aber auch Übersetzungen wie Der Schatten dessen, was wir waren (2011, Originatltitel: La sombra de lo que fuimos) sowie die Verfilmung von Historia de una gaviota y del gato que le enseñó a volar (1998) vom Regisseur Enzo D’Alò.
Auch wir trauern um diesen unschätzbaren Verlust und nehmen Abschied von diesem lateinamerikanischen Autor/Denker/Aktivist, der literarische Werke immer dann für gelungen befand, wenn sie den „Vergessenen“ eine Stimme geben: „La buena novela a lo largo de la historia ha sido la historia de los perdedores, porque a los ganadores les escribieron su propia historia. Nos toca a los escritores ser la voz de los olvidados“ (aus einem Interview mit El País).
Auswahlliteratur von und zu Luis Sepúlveda
- Abiada, José Manuel López de: «LATEINAMERIKA / AMÉRICA LATINA: Ecología y literatura en dos obras de Luis Sepúlveda». In: Hispanorama 108, 2005: 73-78.
- Lessig, Doris / Redmer, Hartmut: Un drama en la selva amazónica : Materialien zu Un viejo que leía novelas de amor von Luis Sepúlveda. Bonn: Romanistischer Verl. 1997.
- Malaver Rodríguez, Rodrigo: «La selva imaginada: Una relectura crítica de Un viejo que leía novelas de amor de Luis Sepúlveda«. Cuadernos de literatura 13/14, 2005 (Elektronische Open Acces-Ressource).
- Sepúlveda, Luis: El Blog de Luis Sepúlveda. Santiago de Chile: Aún Creemos en los Sueños. 2008.