Eine gute Nachricht für alle Forschenden des Sachgebiets sowie für alle Maya-Aficionadas/os: Es gibt nun die Möglichkeit sich neben dem Scan auch die maschinenlesbare Transkription des Vocabulario en lengua 4iche otlatecas anzeigen zu lassen.
Der Text ist ein von Missionaren erstelltes Glossar aus dem frühen 18. Jahrhundert für die Maya-Sprache K’iche’ (sp. «Quiché» oder zeitgenössisch auch oft «lengua utlateca»), in der beispielsweise auch das bekannte Poopol Wuuj (auch Popol Wuj, Popol Vuj oder Popol Vuh) verfasst ist. In diesem Falle handelt es sich um eine Varietät aus dem Hochland Guatemalas. Nähere Informationen zum Autor und zum Entstehungskontext liegen nicht eindeutig vor, auch wenn durchaus einiges aus dem Text rekonstruiert werden kann. Das Manuskript gelangte als Teil des Nachlasses Walter Lehmann ins IAI und wurde im Rahmen des Projekts zu kolonialzeitlichen Sprachmaterialien digitalisiert.
Dieses Projekt entstand auf Initiative von Michael Dürr (FU/ZLB Berlin), Frauke Sachse (Dumbarton Oaks Research Library and Collections), sowie Ulrike Mühlschlegel und Iken Paap (IAI) mit dem Ziel am IAI vorhandene Manuskripte zu indigenen Sprachen, die während der spanischen Kolonialzeit entstanden und teilweise kaum bekannt sind, zu publizieren und in den Digitalen Sammlungen für die Forschung zugänglich zu machen. Es wurden in einer ersten Sichtung folgende Dokumente identifiziert:
- Vocabulario en lengua 4iche otlatecas.
- Kaqchikel-Brevier (Arbeitstitel; im IAI-Katalog noch fälschlich unter dem Titel Testamentum novum : lengua Quiché): doktrinaler/liturgischer Text auf Pergament in Kaqchikel aus dem 16. Jh.
- Vocabulario cakchiquel: Spanisch-Kaqchikel-Wörterbuch aus dem 18. Jh.
- Escriptura Xajila 1786: zwei Blatt in K’iche’ aus dem späten 18. Jh.
- Kaqchikel-Katechismus. 14 Blatt Kaqchikel-Spanisch aus dem 18. Jh. (angebunden an 1.)
- Fragment eines doktrinalen Texts in Kaqchikel auf Pergament aus dem 16. Jh. 2 Blatt.
Die o.g. Manuskripte wurden bereits alle digitalisiert, allerdings sind noch nicht alle mit den entsprechenden Struktur- und Metadaten ausgestattet. Das K’iche’-Wörterbuch ist als Buchedition Ende August 2017 als Band 10 der Estudios Indiana erschienen. Es umfasst die Transkription des Manuskripts und eine ausführliche Einleitung. Außerdem ist dem ein nach Lexemen umgearbeitetes Referenzwörterbuch beigefügt, das in erster Linie als Nachschlagewerk auch für zeitgenössische Sprecher*innen fungieren soll. Da der Band digital und als Open Access verfügbar ist, liegen die Zugriffszahlen Schätzungen zufolge im mittleren 4-stelligen Bereich und sind vor allem in Guatemala selbst zu verzeichnen. Dies freut uns besonders, da wir hoffen so die Sprachcommunity bei der Pflege ihres kulturellen Erbes unterstützen und nicht zuletzt der durch jahrhundertelangen Kolonialismus entstandenen, globalen Macht- und Wissensasymmetrie ein wenig entgegenwirken zu können.
Das Projekt zu den kolonialzeitlichen Sprachmaterialien ist 2019 in die zweite Phase getreten, in der neben der Identifikation und Erschließung weiterer Quellen auch eine tiefergehende Untersuchung der missionarischen Lexikographiepraxis erfolgen soll.
Bei Fragen zum Projekt, schreiben Sie gern eine E-Mail an muehlschlegel@iai.spk-berlin.de.
Anmerkung: Warum überhaupt «4iche»?
Das Zeichen <4> ist eine graphische Annäherung an ein vom Autor selbst eingeführtes (oder vielleicht übernommenes) Graphem, dem «tresillo», das für einen glottalisierten velaren Verschlusslaut [kˀ] steht und heute üblicherweise als <k’> dargestellt wird.
Auswahlliteratur & weitere Ressourcen
Alexander Bakkerus, Astrid / Fernández Rodríguez, Rebeca / Zack, Liesbeth / Zwartjes, Otto: Missionary Linguistic Studies from Mesoamerica to Patagonia. Boston : BRILL, 2020.
Aissen, Judith / England, Nora C. / Zavala Maldonado, Roberto: The Mayan languages. London : Routledge, 2017.
Dürr, Michael / Sachse, Frauke: «Diccionario k’iche’ de Berlín : el vocabulario en lengua 4iche otlatecas : edición crítica. Estudio introductorio». Estudios Indiana, Vol. 10, 2017: 7-70.
Popol Vuh. Das heilige Buch der Quiché-Indianer von Guatemala; nach einer wiedergefundenen alten Handschrift neu übersetzt und erläutert von Leonhard Schultze Jena, hrsg. von Gerd Kutscher. Berlin / Stuttgart, Ibero-Amerikanisches Institut / Kohlhammer, ²1972.
Sachse, Frauke / Dürr, Michael / Klingler, Christian W. R.: «Digitale Erschließung und systematische Annotation kolonialer Wörterbücher am Beispiel der Mayasprache K’iche‘». Göttingen : GOEDOC, 2017 (Online-Ressource).
Materialien in K’iche’ (inkl. Tonaufnahmen) im Archive of the Indigenous Languages of Latin America der University of Texas.