Mit einer Pflanze hat dieses grüne Icon, das einem mittlerweile auf zahlreichen Forscher:innen-Webseiten begegnet, trotz der lautsprachlichen Ähnlichkeit zum englischen Begriff orchid wenig zu tun. Hinter dem Akronym «ORCID» steht stattdessen die globale gemeinnützige Organisation Open Researcher and Contributer ID, die zur Autor:innenidentifikation so genannte ORCID-iDs vergibt. Wer hinter der Initiative steckt, wofür eine solche ‚iD‘ genutzt wird und wie die Verbreitung der „ORCID-iDs“ im lateinamerikanischen Kontext ist, werden wir in diesem Beitrag kurz erläutern.
Zur Initiative
ORCID geht auf die «Open Researcher Contributor Identification Initiative» zurück, die 2009/2010 von verschiedenen wissenschaftlichen Verlagsgruppen wie Elsevier, Springer und Nature Publishing Group, sowie wissenschaftlichen Institutionen, darunter unter anderem das CERN in der Schweiz, ins Leben gerufen wurde. Finanziert wird diese Organisation von Mitgliedsorganisationen. Die Beiträge sind dabei nach Größe der jeweiligen Organisation und der angebotenen Leistung gestaffelt. Sie ermöglichen es zudem, dass die Services der Plattform von Forschenden kostenlos genutzt werden können. Dem erklärten Ziel, eine global wirksame, transparente und vertrauenswürdige Verknüpfung zwischen Forscher:innen, ihren Beiträgen und ihren institutionellen Zugehörigkeiten mittels einer eindeutigen dauerhaften Kennung für Personen zu schaffen, rückt ORCID dabei immer näher: Seit dem Start des digitalen ORCID-iD-Verzeichnis in 2012 haben sich zahlreiche Forschende, auch dank nationaler Förderinitiativen wie ORCID-DE, für eine ORCID-iD registriert und eine eigene Seite in diesem Register angelegt. Im September 2021 waren 12387169 ORCID-iDs verzeichnet, die Zahl der in Deutschland registrierten ORCID-iDs liegt bei 251.630.
Was bietet ORCID?
ORCID bietet eine kostenfreie und weltweit bekannte Plattform, auf der alle Forschenden Angaben zu ihrer Person, zu ihrer aktuellen Affiliation, ihrem akademischen Werdegang und zur eigenen Forschungsleistung hinterlegen können. Dieser «ORCID-Record» ist mit einer kostenfreien, eindeutigen, dauerhaften 15-stelligen Kennung verbunden, die einzig der jeweiligen Person gehört – und zwar für immer. ORCID stellt ebenfalls Schnittstellen zur Verfügung, die eine Interoperabilität der Daten ermöglichen.
Warum sollten sich Forschende beim ORCID-iD-Verzeichnis registrieren?
Eine ORCID-iD bietet folgende Vorteile:
- Forschungsleistungen können eindeutig einer Person zugeordnet werden. So können Verwechslungen bei Namensgleichheit oder -änderung, bspw. nach Heirat, ausgeschlossen werden. Die iD bleibt immer erhalten, auch dann, wenn sich die Affiliation, das Fachgebiet oder andere Angaben ändern.
- Forschende können selbst entscheiden, welche Informationen sie öffentlich anzeigen lassen wollen und welche nicht. Sie behalten ebenfalls die Oberhand darüber, welche Forschungserzeugnisse sie zu ihrem Record hinzufügen möchten.
- Es ist letztlich eine digitale persönliche Visitenkarte, die eine höhere Sichtbarkeit der eigenen Forschungsaktivitäten ermöglicht.
- ORCID und die verschiedenen nationalen Initiativen arbeiten stetig daran, den Datenaustausch zwischen Systemen zu verbessern. Dadurch können mittlerweile auch Publikationen automatisch aus bibliothekarischen Katalogen, beispielsweise aus der Deutschen Nationalbibliothek, in den eigenen Record übertragen und Anbindungen an Datenbanken wie Web of Science oder Scopus hergestellt werden.
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ORCID in Lateinamerika
Dass sich die ORCID-iD auch in vielen lateinamerikanischen Ländern wachsender Beliebtheit erfreuen, macht der ORCID-DE-Monitor deutlich. Letzterer wurde im Rahmen des DFG-geförderten Projekts «ORCID DE – Konsolidierung der ORCID-Informationsinfrastruktur in Deutschland” (2020-2022) in Zusammenarbeit unterschiedlicher Projektpartner entwickelt. Ziel des Monitors ist es, die Nutzung und Verbreitung von ORCID-IDs und den damit verbundenen Informationen, wie dahinterstehende Repositorien, technische Plattformen, und deren Entwicklung zu analysieren. Für die Auswertung greift der Monitor dabei auf Daten aus der Bielefeld Academic Search Engine (BASE), den DOI-Registrierungsagenturen Crossref und DataCite, sowie den Metadaten aus den Personendatensätzen der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbiografie zurück. Diese sind durchaus mächtige Datenprovider: BASE alleine hat 240 Millionen Dokumente von über 8.000 Datenlieferanten indexiert; Crossref ist mit 7 Millionen Datenbankeinträgen (2018) mittlerweile eine der wichtigsten Quellen für bibliographische Metadaten von Open-Access-Publikationen. Der Monitor befindet sich zwar noch im Ausbau, es lassen sich jedoch schon jetzt recht interessante Einblicke in die Verbreitung und Nutzung der ORCID-iDs innerhalb der Scientific Community gewinnen.
Brasilien ist Spitzenreiter
Zurückgreifend auf den in den Records unter «Country» angegebenen Ländercode, gibt die Web-Anwendung beispielsweise einen Eindruck darüber, wo sich bereits viele Forschende eine digitale Visitenkarte angelegt haben. Im weltweiten Vergleich schneiden besonders Brasilien, Kolumbien und Peru gut ab. Für Brasilien wurden so 220.065 Records gezählt, für Kolumbien waren es 46.570 und für Peru 40.255. Zu beachten ist hier allerdings, dass zur Auswertung allein Daten aus Deutschland und anderen Ländern Europas benutzt wurden.
Die führende Position, die Brasilien im Hinblick auf die Verbreitung an ORCID-iDs inne hat, lässt sich an einer weiterer Auswertung des Monitors ablesen, und zwar über die Anzahl der in Repositorien (Online-Speicherorte für OA-Publikationen) abgelegten Dokumente mit ORCID-iDs. Diese misst der Monitor auf der Grundlage von Stichproben bei allen in BASE registrierten und geharvesteten Repositorien, die mittlerweile quartalsweise erhoben werden.
Anzahl ORCID Records nach Ländercodes, Dunkelgrau=keine Daten; CC BY ORCID DE Monitor – ORCID DE (orcid-de.org)
Vorkommen ORCID iDs in Repositorien
Anzahl der Dokumente
Vorkommen ORCID iDs in Repositorien
Anzahl Dokumente im Verhältnis zur Anzahl Forschende
Wie die Visualisierung prägnant verdeutlicht, nimmt Brasilien mit 15.707 Dokumenten eine deutliche Spitzenposition im weltweiten Vergleich ein, d.h. es ist das Land, deren Repositorien a) in großem Maße bei BASE verzeichnet sind und b) eine Vielzahl der in den brasilianischen Dokumenten mit ORCID-iDs verknüpft sind. Brasilien zählt auch dann zu den führenden Ländern, wenn die Zahlen (auf der gleichen Datengrundlage) mit der bei der OECD verzeichneten Zahl an Forschenden in Relation gesetzt werden. In Brasilien kommen auf 1000 Forschende 136 Publikationen mit ORCID-iD, doch auch auch in den anderen lateinamerikanischen Ländern sind die Zahlen im Vergleich zu anderen Weltregionen recht hoch. In Chile sind es 70 Publikationen mit ORCID-iD je 1000 Forschende, in Nicaragua gar 286 und Kolumbien nimmt mit 1029 im lateinamerikanischen Vergleich die Spitzenposition ein. In Deutschland hingegen kommen auf 1000 Forschende nur 7 ORCID-Publikationen – zumindest was die Anzahl an Dokumenten in Open-Access-Repositorien angeht, die in BASE abgelegt sind.
Das Bild verschiebt sich ein wenig, wenn nicht auf BASE, sondern auf Crossref zurückgegriffen wird. Nicht Lateinamerika, sondern insbesondere die USA, UK, aber auch die Niederlande sind diejenigen Ländern, denen am meisten Dokumente mit ORCID-IDs in den Crossref-Metadaten zugeschrieben werden können. Für die USA misst der Monitor so fast 40.000.000 Dokumente, in Brasilien sind es 940.000 Dokumente. Auch wenn der Unterschied zwischen diesen beiden amerikanischen Ländern groß ist, so bilden diese Zahlen eher die Popularität und Verbreitung von Crossref im anglosächsischen Raum ab als dass sie die Verbreitung der ORCID-iD sichtbar machen.
Vorkommen ORCID iDs in Crossref-Metadaten – Anzahl Dokumente via Crossref gesamt (Backfiles und aktuell), dunkelgrau=keine Daten. CC BY ORCID DE Monitor – ORCID DE (orcid-de.org)
Wenn auch die Zahlen sich naturgemäß je nach Datenquelle stark unterscheiden, so lassen sich doch Tendenzen zur Verbreitung der ORCID-iDs im weltweiten Ländervergleich und regionalem Vergleich ablesen und über den Monitor visualisieren. Einerseits wird deutlich, dass sich viele lateinamerikanische Länder im weltweiten Vergleich gut bis sehr gut abschneiden, also bereits recht viele Forschende in und aus Lateinamerika über eine ORCID-iD verfügen und diese auch zur Zuordnung von Publikationen nutzen. Andererseits zeigen sich im regionalen Vergleich große Unterschiede: Während gerade die zentralamerikanischen Ländern El Salvador und Honduras sowie Bolivien und Paraguay zurückbleiben, schneiden Brasilien und Kolumbien im regionalen Vergleich besonders gut ab.
Warum Brasilien und Kolumbien? Warum Lateinamerika insgesamt?
Beide Länder initiierten in den letzten Jahren verschiedene Initiativen, die unmittelbar zur Verbreitung der ORCID-iDs in der Wissenschaftslandschaft beider Länder beitrugen. September 2018 nahm die nationale Förderinstitution Brasiliens, die Coordenação de Aperfeiçoamento de Pessoal de Nível Superior (CAPES) ORCID-IDs in ihr Antragssystem auf, um auch die Karriere ihrer Stipendiat:innen verfolgen zu können. Ebenfalls kündigte SciELO.org, die frei zugängliche Datenbank aus Brasilien mit Veröffentlichungen aus e-journals, an, ab 2019 im Einreichungsprozess von allen Autor:innen eine ORCID-ID zu verlangen. Ähnlich wie hier in Deutschland, wo ebenfalls zahlreiche Universitäten ihre Mitglieder ermunterten, ORCID-Records zu erstellen, starteten auch lateinamerikanische Universitäten, wie die Universidade de São Paulo (USP) eigene Kampagnen zur Popularisierung von ORCID unter ihren Forschenden.
Kolumbien ging in diesem Jahr einen weiteren wichtigen Schritt und rief im Juli diesen Jahres das ORCID Colombia Consortium ins Leben – ein gemeinsames Projekt von ASCUN (Asociación Colombiana de Universidades), dem Ministerium für nationale Bildung, dem Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation und weiteren Partnern. Ziel dieses Konsortiums ist es, die Sichtbarkeit der kolumbianischen wissenschaftlichen Produktion auf internationaler Ebene zu fördern, u.a. über die Verbreitung von ORCID-IDs im Land. Bereits 2016 hatten zentrale Forschungseinrichtungen zudem die Verknüpfung des ORCID-Registers mit dem System für Ablage von Lebensläufen (CvLAC) und Publindex, ein Index für kolumbianische Zeitschriften, gefördert. Diese Initiativen fügen sich dabei in andere regionale wie nationale Bestrebungen ein, die eine Förderung einer Open-And-Free-Publikationskultur in den lateinamerikanischen Ländern zum Ziel haben (vgl. Elektronischem Publizieren und Open Access in Lateinamerika von Christoph Müller). Wie auch bei der Förderung von Open Access scheinen lateinamerikanischen Länder auch bei der Verbreitung der ORCID-Idee die Nase vorn zu haben.
Initiativen, welche elektronisches Publizieren und OA-Publikationen fördern, waren auch die Ersten, welche ORCID in Lateinamerika unterstützten, darunter Redalyc, die Open-Access-Plattform der UNAM in Mexiko, oder auch – CONCYTEC – der Consejo Nacional de Ciencia, Tecnología e Innovación Tecnológica in Peru. Das Interesse an ORCID ist bei lateinamerikanischen Forschende dabei auch deshalb so groß, weil die Disambigierung von Autor:innen-Namen ein weit verbreitetes Problem ist. Ein von ORCID entwickeltes Tutorial zeigt deshalb auch eine fiktive spanischsprachige Forscherin – Sophia Maria Hernandez Garcia – , um die Vorteile von ORCID aufzuzeigen.
Wie geht es weiter?
Wie sich das Vorkommen der ORCID-iD in den kommenden Jahren gestalten wird, lässt sich hoffentlich weiterhin am ORCID-DE-Monitor ablesen, der bereits jetzt ein empfehlenswertes Instrument zur Analyse der ORCID-Initiative und nationaler wie regionaler Publikationskulturen darstellt. Wir laden Sie ein, den Monitor selbst zu testen und für weitere (und bessere) Analysen der Statistiken, als in diesem Fall geschehen, zu nutzen. Denn die über ORCID DE-Monitor angebotenen Statistiken sind unter einer Creative Commons Attribution 4.0-Lizenz lizenziert. Nachnutzung und auch Feedback oder Anfragen für Analyseanwendungen sind beim Projektteam sehr willkommen: info@orcid-de.org . Insofern warten wir gespannt, welche Funktionen in der nächsten Zeit ergänzt werden und warten gespannt, welche Veränderungen sich in den nächsten Jahren in Lateinamerika ergeben werden – denn auch ein diachroner Vergleich kann mit diesem Analysewerkzeug durchgeführt werden.
Weitere Informationen zum Monitor
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