Bisherige Vorstellungen in der Reihe Digitale Ressourcen: Kolumbien, Uruguay, Guatemala, Chile, Brasilien, Peru, Lusophones Afrika, Panama Kanal.
Mediateca, Biblioteca, Hemeroteca und Memórica – die Großprojekte
Die Anstrengungen mexikanischer Bibliotheken, Archive, Universitäten und sonstiger Forschungseinrichtungen zur digitalen Erschließung und Veröffentlichung historischer wie aktueller Bestände schlagen sich im Internet an teilweise disparaten Fundstellen nieder. Nicht immer ist dabei auf den ersten Blick ersichtlich, was der digitale Schwerpunkt der jeweiligen Seiten ist – und warum. Im Folgenden sollen daher die wichtigsten wissenschaftlichen Projekte vorgestellt werden, neben Hinweisen auf Seiten mit partikularen Sammlungen digitaler Dokumente und möglichen Anhaltspunkten zur eigenständigen Recherche im mexikanischen Teil des World-Wide-Web.
Die Mediathek des Instituto Nacional de Historia y Antropología bietet eine hohe Anzahl an Digitalisaten, die von Fotografien bis zu Ausgrabungsgegenständen die breite Bandbreite der am INAH beheimateten Forschungsfelder (und darüber hinaus) widerspiegelt. Dabei sind beispielsweise ein Großteil der Fotos mit Creative-Commons-Lizenzen nutzbar. Die übersichtlich gestaltete Website macht Zugriffe sowohl über die Sammlungen, über die Materialtypen, als auch eine Schlagwortsuche möglich und bietet ausgiebige Filtermöglichkeiten.
Der Zugriff auf die vorhandenen Fotografien erfolgt beispielsweise per Klick auf die Medientypen, die nach Häufigkeit visualisiert dargestellt werden.
https://mediateca.inah.gob.mx
Die Universidad Nacional Autónoma de México bietet die Biblioteca Nacional Digital de México an, auf der sich thematisch organisierte, vor allem historische, Digitalisate finden. Schwerpunkte bilden hier eine Sammlung rund um die Person Francisco I. Maderos, des ersten Präsidenten des postrevolutionären Mexiko, sowie José María Lafragua, des ersten Direktors der Nationalbibliothek. Von den knapp 6000 Dokumenten zählt die Website derzeit knapp 50 neue Digitalisierungen für das laufende Jahr. Ob also die digitale Nationalbibliothek in Zukunft weitere Bestände erschließt, wird sich zeigen müssen.
Inzwischen etwas altmodisch, nämlich gar nicht per einfachem Klick, kommt die Website daher, wenn es darum geht, die Dokumente auch tatsächlich aufzurufen:
Die Startseite der BNDM wartet mit illustrierten Themen als Einstieg auf
https://catalogo.iib.unam.mx/F/-/?func=login&local_base=BNDM
Zunächst müssen die gewünschten Titel aus der Trefferliste selektiert werden…
… um dann aus den Möglichkeiten „anschauen“, „speichern/per E-Mail senden“ oder „zu Meiner Bibliografie hinzufügen“ auszuwählen.
Als gemeinsames Projekt der UNAM und der Biblioteca Nacional de México 2002 angestoßen, stellt die Hemeroteca Nacional Digital de México digital historische Zeitschriften zur Verfügung. Zugänglich sind die gemeinfreien Inhalte von etwa neun Millionen Seiten mexikanischer Zeitschriften zwischen 1722 und 2010. Laufend aktualisiert werden dabei die Zeitschriften, die im Laufe der Jahre in die Gemeinfreiheit übergehen, die der Hemeroteca bereits als Digitalisate vorliegen, zunächst aber nicht veröffentlicht wurden. Der starke Fokus auf Zeitschriften aus Mexiko-Stadt spiegelt auch in der Hemeroteca den Zentralismus Mexikos wider, der gleichzeitig die Forschungslandschaft insbesondere der Geisteswissenschaften prägt.
Per Zeitleiste ist der Zugriff direkt auf alle Digitalisate gewünschter Zeitabschnitte mögliche
http://www.hndm.unam.mx/index.php/es/
Als neuere Website mit vielen grafisch einladenden Elementen versucht Memórica – México, haz memoria den Spagat zwischen erinnerungspolitischer Handreiche für Kulturinstitutionen und Bereitstellung von historisch relevanten Quellen für Forschung und Lehre zu schaffen. Die Website lädt dabei mit vielen verspielten Details zum Stöbern ein, allerdings nicht auf Kosten einer gut eingestellten und mit entsprechenden Filtermöglichkeiten ausgestatteten Suchfunktion. Die von einer Vielzahl mexikanischer wissenschaftlicher und behördlicher Institutionen getragene Website vereint dabei eine große Anzahl digitaler Materialien.
Die Website Memórica bietet einen sehr ausgiebigen Filterkatalog, der mit 397 Ressourcen-Typisierungen aufwartet.
https://memoricamexico.gob.mx/
Beispielhafte Projekte kleineren Umfangs
Neben den großen Digitalisierungsprojekten kann auch auf regional oder thematisch sehr begrenzte Sammlungen inzwischen online zugegriffen werden. Die systematische Erschließung entsprechender Portale ist dabei sachgemäß schwieriger, denn sie sind häufig nicht zentral erfasst. Die hier vorgestellten Websites dienen also beispielhafte Hinweise auf die weitere digitale Forschungslandschaft Mexikos.
Das vom Colegio de México unterstützte digitale Archiv bewaffneter Bewegungen in Mexiko beherbergt Sitzungsprotokolle, Flugschriften, Zeitungen und andere Veröffentlichungen aus dem Umfeld bewaffneter Gruppen. Darunter findet sich mit «Madera», Organ der inzwischen historischen Stadtguerilla LC23S auch eine abschließend digitalisierte Zeitschrift. Die Suche ist ein gutes Beispiel für ein zwar spezifisches, aber gelungenes Digitalisierungsvorhaben der mexikanischen Geschichtswissenschaft.
Die Startseite ziert das Foto eines Mitglieds der EZLN – auch wenn die gegenwärtige Guerrilla nicht den Schwerpunkt der Sammlung darstellt
https://movimientosarmados.colmex.mx/
Die Biblioteca Virtual de Yucatán ermöglicht den Zugriff auf Bücher, Karten und sonstige Materialien rund um die Halbinsel Yucatán. Mit den Digitalisaten historischer Dokumente aus der Zeit des Kastenkrieges bietet die Seite aber weit über den regionalen Kontext hinaus relevante Dokumente.
Für eine regional begrenzte Bibliothek wie die Biblioteca yucatanense ist die virtuelle Erschließung ein ambitioniertes Vorhaben, das so durchaus die online verfügbare Dokumentation der doch sehr zentralisierten Forschungslandschaft Mexikos ergänzen kann.
Als regionale Bibliothek bietet die BVY historische Karten der Provinzhauptstadt Mérida
http://bibliotecavirtualdeyucatan.com.mx/acervo.php
Das Archivo Flores Magón hat die publizistische Tätigkeit des mexikanischen Anarchisten Ricardo Flores Magón und seines revolutionären Partido Liberal Mexicano zum Sammlungsfokus gemacht. Neben der Zeitschrift «Regeneración» finden sich also insbesondere einzelne Artikel, die in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Aber auch Fachliteratur zum Magonismo lässt sich auf der Seite herunterladen.
Möglicherweise Kern der Sammlung ist die nur kurz bestehende, allerdings sehr bekannte Zeitschrift Regeneración – nicht zu verwechseln mit der Zeitschrift der aktuellen Regierungspartei Morena.
http://archivomagon.net/
Das mexikanische Außenministerium (Secretaria de Relaciones Exteriores, SRE) unterhält ebenfalls ein Archiv, dessen Bestände teilweise als Digitalisate auf der Website der Biblioteca Digital de Relaciones Internacionales zu finden sind. Die etwas unübersichtlich gestaltete Website der historischen Sammlungen des Außenministeriums Mexikos bietet auch weitere Materialien, etwa zum spanischen Exil in Mexiko.
https://acervo.sre.gob.mx/index.php/biblioteca-digital-de-relaciones-internacionales
Orientierungshilfen in der digitalen Forschungslandschaft Mexikos
Nicht jeder Forschungsbedarf lässt sich auf den Portalen des INAH, der UNAM oder von Memórica befriedigen. Die kleineren Sammlungen zeigen dabei gleichzeitig, dass weit über die zentraleren Angebote hinaus gesammelt wird und dass auf diese Sammlungen aber längst nicht unmittelbar zugegriffen werden kann. Unerlässlich sind daher Kenntnisse über einige der Knotenpunkte, an denen sich verschiedenste Ressourcen der mexikanischen Wissenschaft im Internet vernetzen.
Einen Einstieg bieten die oben genannten Webseiten selbst. Die Hemeroteca Digital verlinkt auf verschiedene Webseiten und andere Hemerotecas, die Biblioteca Digital verlinkt auf die weiteren digitalen Ressourcen der BNM, das Colegio de México führt eine (über Mexiko hinausgehende) Linkliste von Zeitschriften, Datenbanken und anderen online-Ressourcen und das Discovery-System der Generaldirektion der Bibliotheken findet zwar nicht nur Online-Ressourcen, aber eben auch diese. Darüber hinaus sind viele Datenbestände des nationalen Institutes für Geografie und Statistik, wie auch direkt von Regierungsstellen gesammelte Daten online verfügbar und bieten (nicht nur) Naturwissenschaftlern Grundlagen. Auch wenn die digitale Infrastruktur der mexikanischen Bibliotheken, Archive und Forschungseinrichtungen also nicht ganz ohne Einbahnstraßen und Umwege auskommt, bietet sie eine Fülle an Materialien, die die breite Forschungslandschaft der mexikanischen Universitäten und die facettenreiche Geschichte des Landes widerspiegeln.